Der 66-Jährige stand sorgenvoll am Rande des Trainingsplatzes und schüttelte verzweifelt den Kopf: „Ich kann das einfach nicht glauben, dass wir noch keinen Punkt geholt haben – noch keinen! Nicht zu glauben“, sagte die königsblaue Vereinslegende. Auch Fischer quälten die Fragen nach dem dramatischen Absturz seiner Schalker bis auf den letzten Platz der Bundesliga. Antworten bekam er nicht. Klaus Fischer sah, wie die Spieler mit Trainer Markus Weinzierl zum Laufen ins Grüne gingen – nach 28 Minuten kamen sie zurück.
In der Zwischenzeit traf Christian Heidel auf der Geschäftsstelle ein. Von dem, was der neue Sportvorstand am Sonntagabend unmittelbar nach der 1:2-Niederlage bei der TSG Hoffenheim angekündigt hatte, wich er keinen Zentimeter ab: Heidel wird sich die Spieler zur Brust nehmen – dabei bleibt es, bestätigte er im Gespräch mit der WAZ. Für die Mannschaft wird es jetzt ungemütlich. Heidel will das bekämpfen, woran Schalke schon lange leidet: Phlegma und Bequemlichkeit. „Hier gibt es so eine Lethargie, aber die werden wir nicht länger zulassen“, schimpfte Heidel. Spieler, die dieses Phlegma in sich trügen, würden künftig nicht mehr spielen: „Dann kommen Leute rein, die malochen.“ Allerdings wird es laut Heidel kein öffentliches Opfer geben: „Alles bleibt intern.“
Außerhalb jeder Kritik steht Benedikt Höwedes: Der Kapitän wehrte sich in Sinsheim auf dem Platz kampfstark gegen die Lethargie und auch danach wortreich: „Fußball ist ein Mannschaftssport. Wenn da nicht jeder mitzieht, dann kannst du kein Spiel gewinnen.“ Ansonsten können sich nur wenige Spieler ihrer Sache sicher sein. Auch die mit großen Hoffnungen verpflichteten Neuzugänge nicht. Der Ukrainer Yevhen Konoplyanka fand schon am Sonntag gegen Hoffenheim keinen Platz mehr im Kader. Selbst Heidel steht dem Phänomen ratlos gegenüber, dass früher oder später fast jeder Spieler, der neu nach Schalke kommt, von dem Phlegma der übrigen angesteckt wird. „Eine schwierige Frage“ sei dies. Eigentlich wollten Heidel und Weinzierl mit ihren Neuverpflichtungen gezielt die Schwachstellen bekämpfen und hatten Spieler mit guter Mentalität und hoher Aggressivität angekündigt. Doch bis auf Nabil Bentaleb und mit Abstrichen Abdul Rahman Baba hat noch keiner der Neuzugänge gezeigt, dass er Schalke wirklich nach vorne bringen kann. So ist Schalke zwar runderneuert, aber bisher keinen Deut besser als zuvor.
Deswegen will Heidel jetzt eine „Zäsur“ machen und bilanzieren: „Was haben wir uns vor der Saison gegenseitig versprochen und was wurde davon umgesetzt?“ Die Antwort gibt er selbst: „Bei diesen Ergebnissen ist es Zeit, jetzt Klartext zu reden.“ Sein erster Schritt als Krisenmanager, mit dem er auch die Arbeit des von ihm verpflichteten Trainers Markus Weinzierl unterstützen will. Dem war in der Halbzeitpause in Sinsheim der Kragen geplatzt, wofür Heidel großes Verständnis hat: „Der Trainer war völlig zurecht sehr laut.“
Die Zeit des stillen Leidens auf Schalke, sie ist vorbei – das kennt man aus der Vergangenheit. Der Unterschied: Die Krisenbewältigung liegt diesmal allein in den Händen von Trainer und Manager. Vereinschef Clemens Tönnies hält sich weiterhin bedeckt – so wie er es angekündigt hatte, als er Heidel im Mai zum neuen starken Mann auf Schalke ernannte. In dieser Rolle ist der frühere Mainzer jetzt das erste Mal so richtig gefordert.